Aktuelles

Keine Überlegungsfrist bei Bildung einer Rettungsgasse

Verkehrsrecht

Wenn auf der Autobahn der Verkehr zum Stillstand kommt, muss man eine Rettungsgasse bilden (linke Spur nach links, alle anderen nach rechts). Eine Rettungsgasse muss nach der Straßenverkehrsordnung gebildet werden, sobald Fahrzeuge mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder zum Stillstand kommen. Schrittgeschwindigkeit oder Stillstand müssen nicht erst über eine gewisse Zeit andauern. Die Rettungsgasse muss vielmehr sofort gebildet werden. Einem Autofahrer steht auch keine Überlegungsfrist zu.

Ein Autofahrer war auf einer Autobahn unterwegs. Der Verkehr auf der dreispurigen Autobahn war ins Stocken geraten und teilweise zum Erliegen gekommen. Viele Fahrzeuge hatten bereits eine Rettungsgasse gebildet. Der Mann befuhr dagegen die mittlere Spur eher linksseitig, während die anderen Fahrzeuge sich möglichst rechts auf der Mittelspur hielten. Der Mann muss jetzt die Geldbuße zahlen und die Verfahrenskosten tragen. Von der Verhängung eines Fahrverbots wurde abgesehen, weil es zu keiner konkreten Behinderung eines Rettungsfahrzeugs gekommen war.
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Gesellschaftsrecht – Treuepflicht eines ausgeschiedenen Gesellschafters

Wirtschaftsrecht

Im Gesellschaftsrecht ist eine mitgliedschaftliche Treuepflicht als eine Hauptverpflichtung eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft allgemein anerkannt. Diese Treuepflicht knüpft dogmatisch daran an, dass ein Gesellschafter während seiner Mitgliedschaft in der Gesellschaft auch ohne ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Regelung deren Belangen Vorrang einzuräumen hat.

Die Treuepflicht dauert zwar grundsätzlich nur bis zum Ausscheiden des Gesellschafters, jedoch kommen darüber hinaus auch noch nachwirkende Treue-, vor allem Unterlassungs- und Loyalitätspflichten in Betracht. Insbesondere darf der Gesellschafter nicht konkrete Geschäftschancen der GmbH auf sich selbst oder auf Dritte, an denen er beteiligt ist, umleiten.

Die Richter des Oberlandesgerichts Naumburg entschieden in ihrem Urteil v. 24.3.2022: „Ein aus einer Zwei-Personen-GmbH ausgeschiedener Mitgesellschafter verstößt gegen seine nachwirkende mitgliedschaftliche Treuepflicht, wenn er die Projektleitung für eine Softwareentwicklung in agiler Arbeitsweise, welche er für eine Kundin der GmbH innehatte, in seinem neuen beruflichen Wirkungskreis ohne Zustimmung der Gesellschaft fortsetzt.“

Anmerkung: Die Treuepflicht im Bereich der konkreten Geschäftschancen ist von einem Wettbewerbsverbot abzugrenzen. Es handelt sich um zwei eigenständige Ausprägungen der Treuepflicht.
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eAU ab 2023 für Arbeitgeber verpflichtend

Arbeitsrecht

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit (AU) und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die AU länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der AU sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Daher informieren die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber unverzüglich über ihre AU und gehen u. U. zum Arzt.

Arbeitgeber sind ab dem 1.1.2023 verpflichtet die AU-Daten bei den Krankenkassen abzurufen. Eine Vorlage der AU-Bescheinigung durch den Arbeitnehmer muss ab 2023 also nicht mehr erfolgen. Er hat aber weiterhin die Pflicht seinem Arbeitgeber die AU zu melden und ggf. ärztlich feststellen zu lassen.

Die Erst- und Folgebescheinigungen einer AU können nur für den jeweiligen Arbeitnehmer individuell angefordert werden. Ein regelmäßiger oder pauschaler Abruf von eAU-Daten durch Arbeitgeber ist unzulässig.

Eine ärztliche Papierbescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit als gesetzlich vorgesehenes Beweismittel bleibt – vorerst – erhalten.
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Keine automatische Verjährung von Urlaubstagen nach drei Jahren

Arbeitsrecht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fälle zur Vorabentscheidung vorgelegt, bei denen es u. a. um die Verjährung von Urlaubstagen ging. Die EuGH-Richter stärkten mit ihren Urteilen die Rechte von Arbeitnehmern, da Urlaubsansprüche erst dann verjähren bzw. verfallen können, nachdem der Arbeitgeber seine Beschäftigten tatsächlich in die Lage versetzt hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

In einem Fall stand die deutsche Regelung auf dem Prüfstand, nach der Urlaubsansprüche automatisch nach drei Jahren verjähren und die Verjährungsfrist am Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist. Der EuGH kam zu der Entscheidung, dass die Verjährungsfrist zwar konform mit dem Unionsrecht geht, aber nicht zu laufen beginnen darf, bevor der Arbeitgeber auf die bestehenden Ansprüche auf Resturlaub und den drohenden Verfall des Urlaubs hingewiesen hat.

In einem anderen Fall war eine Arbeitnehmerin seit ihrer Erkrankung im Verlauf des Jahres 2017 durchgehend arbeitsunfähig. Von ihrem Urlaub für das Jahr 2017 nahm sie einen Teil nicht in Anspruch. Der Arbeitgeber hatte sie weder zur Urlaubnahme aufgefordert, noch darauf hingewiesen, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfallen kann. Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass ihr der Urlaub weiterhin zusteht, da es unterlassen wurde, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Der Arbeitgeber meinte dagegen, dass der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 spätestens mit Ablauf des 31.3.2019 erloschen war.

Nach dem Bundesurlaubsgeldgesetz muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Damit verfällt ein Urlaubsanspruch bei Krankheit grundsätzlich 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs.

Die Richter des EuGH teilten diese Auffassung, räumten allerdings ein, dass dies nur gelten kann, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber vorher über den Urlaubsanspruch informiert wurde, damit dieser noch rechtzeitig die Möglichkeit hat, den Urlaub auch zu nehmen.
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Urlaubstage während Quarantäne

Arbeitsrecht

Bisher war nicht klar, ob es auf den Jahresurlaub angerechnet wird, wenn Mitarbeiter im Urlaub in Quarantäne müssen. Nun hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 und der damit verbundenen Änderungen des Infektionsschutzgesetzes für Klärung gesorgt. Muss ein Beschäftigter während seines Urlaubs in Quarantäne, so werden diese Tage der Quarantäne nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.

Arbeitgeber müssen also Urlaubstage wieder gutschreiben, wenn Arbeitnehmer in ihrem Urlaub in Quarantäne mussten. Die Vorschrift gilt nicht rückwirkend, sodass diese Regelung nur für den Zeitraum seit dem 17.9.2022 gilt. Für Urlaubstage während einer Quarantäne vor diesem Datum entscheiden Arbeitgeber bis auf weiteres selbst, ob sie die Urlaubstage wieder gutschreiben.
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Kein Unfallversicherungsschutz bei familiärer Hilfe

Sozialrecht

Nach dem Sozialgesetzbuch sind auch Personen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, die wie Beschäftigte in einem Unternehmen (sog. Wie-Beschäftigung) tätig werden. Eine versicherte Wie-Beschäftigung setzt deshalb voraus, dass hinsichtlich der Handlung die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung anstatt der Merkmale einer unternehmerischen, selbstständigen Tätigkeit überwiegen und keine Sonderbeziehung besteht, die der wesentliche Grund für die Handlung war.

Dem Thüringischen Landessozialgericht (LSG) lag zur Entscheidung der nachfolgende Sachverhalt vor: Ein Mann half seinem Bruder beim Aufbau eines Gerüstes auf dessen Grundstück. Im Zuge der Gerüstrückbauarbeiten verlor das Gerüst an Halt und der Bruder des Bauherrn sprang bzw. stürzte vom Gerüst und erlitt eine Fraktur am linken Fuß. Die Unfallversicherung lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab.

Das LSG entschied zugunsten der Versicherung, denn gegen das Vorliegen eines Versicherungsschutzes im Sinne einer Wie-Beschäftigung sprach, dass der Helfer als Bruder in einer Sonderbeziehung stand, die die Tätigkeit maßgeblich prägte.
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