In einem vom Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) am 27.1.2023 entschiedenen Fall hatte sich eine Raumpflegerin zu Beginn ihrer Arbeitszeit ordnungsgemäß beim Betrieb eingestempelt. Kurz darauf verließ sie den Betrieb, um in einem nahegelegenen Lokal einen Kaffee zu trinken, stempelte sich bei der elektronischen Zeiterfassung aber nicht aus. Der Chef beobachtete dieses und sprach sie später auf ihr Verhalten an. Zunächst leugnete die Frau dies und gab ihr Fehlverhalten erst zu, als der Chef ihr Beweisfotos auf seinem Handy anbot. Dieser kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos.
Grundsätzlich kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Die LAG-Richter sahen die fristlose Kündigung als gerechtfertigt an. Die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin gegenüber ihrem Chef gelogen und den Betrug zunächst verleugnet und vertuscht hatte, war hier für das Urteil von besonderer Bedeutung.
Aktuelles
Abfindungskürzung für baldige Rentner erlaubt
Arbeitsrecht
In einem Fall aus der Praxis vereinbarte ein Unternehmen mit dem Betriebsrat aufgrund eines größeren Personalabbaus einen Sozialplan. Dieser sah vor, dass die betroffenen Arbeitnehmer zum Ausgleich des Arbeitsplatzverlustes eine Brutto-Abfindung erhalten. Die Abfindungshöhe berechnete sich aus der Betriebszugehörigkeit und dem Bruttoverdienst. Arbeitnehmer, die allerdings das 62. Lebensjahr vollendet hatten, sollten nach dem Plan nur 25 % der Standardabfindung erhalten.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg kam zu der Entscheidung, dass eine Abfindungsregelung in einem Sozialplan, die für die Arbeitnehmer, die vor Stichtag das 62. Lebensjahr vollendet haben und die nach dem 24-monatigen Bezug von Arbeitslosengeld I entweder eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen oder die Regelaltersrente in Anspruch nehmen können, eine Kürzung der Standardabfindung auf ¼ vorsieht, eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters darstellt.
Die Betriebsparteien haben dabei die Höhe der den betroffenen Arbeitnehmern konkret zustehende Altersrente nicht zu berücksichtigen. Ein Sozialplan muss die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer nicht notwendigerweise möglichst vollständig ausgleichen und alle denkbaren Nachteile entschädigen.
Anmerkung: Gegen diese Entscheidung wurde am 19.1.2023 beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt.
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Das Landesarbeitsgericht Nürnberg kam zu der Entscheidung, dass eine Abfindungsregelung in einem Sozialplan, die für die Arbeitnehmer, die vor Stichtag das 62. Lebensjahr vollendet haben und die nach dem 24-monatigen Bezug von Arbeitslosengeld I entweder eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen oder die Regelaltersrente in Anspruch nehmen können, eine Kürzung der Standardabfindung auf ¼ vorsieht, eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters darstellt.
Die Betriebsparteien haben dabei die Höhe der den betroffenen Arbeitnehmern konkret zustehende Altersrente nicht zu berücksichtigen. Ein Sozialplan muss die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer nicht notwendigerweise möglichst vollständig ausgleichen und alle denkbaren Nachteile entschädigen.
Anmerkung: Gegen diese Entscheidung wurde am 19.1.2023 beim Bundesarbeitsgericht Revision eingelegt.
Anspruch auf Betreuungsplatz
Sozialrecht
Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Dieser Anspruch auf frühkindliche Förderung ist keinem Kapazitätsvorbehalt unterworfen. Entsprechend ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, zu gewährleisten, dass ein dem Bedarf in qualitativer und quantitativer Hinsicht gerecht werdendes Angebot an Fördermöglichkeiten in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege vorgehalten wird.
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes stellte in seinem Beschluss v. 22.3.2023 klar, dass der Anspruch unbedingt ausgestaltet ist, unabhängig von der Frage, ob die Eltern auch selbst zur Betreuung des anspruchsberechtigten Kindes in der Lage wären.
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Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes stellte in seinem Beschluss v. 22.3.2023 klar, dass der Anspruch unbedingt ausgestaltet ist, unabhängig von der Frage, ob die Eltern auch selbst zur Betreuung des anspruchsberechtigten Kindes in der Lage wären.
Begriff der „Ausführungsart“ in Schönheitsreparaturklauseln
Mietrecht
Eine Formularklausel, wonach der Mieter nur mit Zustimmung des Vermieters von der bisherigen „Ausführungsart“ abweichen darf, verstößt gegen das Klarheitsgebot, weil der Begriff der „Ausführungsart“ mehrdeutig ist. Er kann sich auf die Grundausstattung, auf die Ausgestaltung im Einzelnen oder auf beides beziehen. Dies gilt auch dann, wenn das Zustimmungserfordernis nur für erhebliche Abweichungen gelten soll. Die teilweise Unwirksamkeit der Schönheitsreparaturklausel hat zur Folge, dass damit die gesamte Klausel unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.
Für die Geschäftsraummiete gilt nichts anderes. Der Mieter von Geschäftsraum ist in noch stärkerem Maße als der Wohnraummieter darauf angewiesen, dass er die Räume nach seinen Bedürfnissen gestalten kann, weil die Ausgestaltung der Räume oft Teil des Geschäftskonzepts ist.
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Für die Geschäftsraummiete gilt nichts anderes. Der Mieter von Geschäftsraum ist in noch stärkerem Maße als der Wohnraummieter darauf angewiesen, dass er die Räume nach seinen Bedürfnissen gestalten kann, weil die Ausgestaltung der Räume oft Teil des Geschäftskonzepts ist.
Makler – keine wirksame Vereinbarung von Reservierungsgebühren in AGBs
Mietrecht
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 20.4.2023 entschieden, dass die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr unwirksam ist.
In dem entschiedenen Fall beabsichtigte ein Interessent den Kauf eines von einer Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Es wurde ein Maklervertrag geschlossen und im Nachgang dazu ein Reservierungsvertrag, mit dem sich die Maklerin verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für den Interessenten vorzuhalten. Dieser nahm jedoch vom Kauf Abstand und verlangte die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.
Der BGH verurteilte die Maklerin zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Bei einem Reservierungsvertrag handelt es sich nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.
Die BGH-Richter führten aus, dass der Reservierungsvertrag die Maklerkunden unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich.
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In dem entschiedenen Fall beabsichtigte ein Interessent den Kauf eines von einer Immobilienmaklerin nachgewiesenen Grundstücks mit Einfamilienhaus. Es wurde ein Maklervertrag geschlossen und im Nachgang dazu ein Reservierungsvertrag, mit dem sich die Maklerin verpflichtete, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für den Interessenten vorzuhalten. Dieser nahm jedoch vom Kauf Abstand und verlangte die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.
Der BGH verurteilte die Maklerin zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr. Bei einem Reservierungsvertrag handelt es sich nach dem Inhalt der getroffenen Abreden nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung. Dass der Reservierungsvertrag in Form eines gesonderten Vertragsdokuments geschlossen wurde und später als der Maklervertrag zustande kam, steht dem nicht entgegen.
Die BGH-Richter führten aus, dass der Reservierungsvertrag die Maklerkunden unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus dem Reservierungsvertrag weder für die Kunden nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist. Außerdem kommt der Reservierungsvertrag der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten des Maklers gleich.
Vorsorgebevollmächtigter nicht zur persönlichen Betreuung verpflichtet
Familienrecht
Die Auswahl des Vorsorgebevollmächtigten obliegt allein der Entscheidung des Vollmachtgebers. Ein Bevollmächtigter kann nur dann als ungeeignet angesehen werden, wenn tragfähige Gründe dafür festgestellt werden können, dass er die Vollmacht nicht zu dessen Wohl ausüben kann oder will.
Ein Vorsorgebevollmächtigter ist zu einem regelmäßigen persönlichen Kontakt zum Vollmachtgeber verpflichtet – schon um die Informationen zu erhalten, die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich sind.
Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten jedoch nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet ihn aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Insbesondere ist er nicht zur Erbringung tatsächlicher Pflegeleistungen oder zur persönlichen Hilfe im Alltag verpflichtet.
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Ein Vorsorgebevollmächtigter ist zu einem regelmäßigen persönlichen Kontakt zum Vollmachtgeber verpflichtet – schon um die Informationen zu erhalten, die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderlich sind.
Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten jedoch nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet ihn aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Insbesondere ist er nicht zur Erbringung tatsächlicher Pflegeleistungen oder zur persönlichen Hilfe im Alltag verpflichtet.