Aktuelles

Dichte Bebauung – Verschattung von Grundstücksteilen und Einsichtsmöglichkeiten in Wohnräume

Mietrecht

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat klargestellt, dass in dicht bebauten Gebieten bestimmte Beeinträchtigungen des Wohnkomforts hinzunehmen sind.

Wenn die dichte Bebauung im vorderen Bereich benachbarter Grundstücke dazu beiträgt, dass Teile eines rückwärtigen Grundstücks verschattet werden, kann der betroffene Nachbar nicht berechtigterweise erwarten, dass dieser Bereich vom Nachmittag bis zum Sonnenuntergang vollständig besonnt bleibt.

Insbesondere in innerstädtischen Gebieten mit typischerweise dichter Bebauung muss ein Nachbar grundsätzlich hinnehmen, dass Einblicke in Wohnräume – insbesondere in Schlafzimmer oder Badezimmer – möglich sind. Es ist ihm zumutbar, sich durch geeignete Maßnahmen wie Gardinen, Vorhänge, Rollläden oder ähnliche Vorkehrungen selbst vor unerwünschten Einblicken zu schützen.

So führte auch das Oberverwaltungsgericht NRW in einem Urteil aus: Gewähren Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes beziehungsweise Gebäudeteils den Blick auf ein Nachbargrundstück, ist deren Ausrichtung, auch wenn der Blick von dort in einen Ruhebereich des Nachbargrundstücks fällt, nicht aus sich heraus rücksichtslos. Es ist in bebauten Gebieten üblich, dass infolge einer solchen Bebauung erstmals oder zusätzlich Einsichtsmöglichkeiten entstehen.
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Erbschaftsausschlagung – fälschlich angenommene Überschuldung bzw. Irrtum zum Nachlasswert

Erbrecht

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist ein rechtliches Mittel, mit dem ein Erbe die Annahme des Nachlasses verweigern kann. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der Nachlass überschuldet ist oder wenn der Erbe aus persönlichen oder finanziellen Gründen die Verantwortung für das Erbe nicht übernehmen möchte. In der Praxis kommt es jedoch auch zu Anfechtungen von Erbausschlagungen.

•    Anfechtung einer Erbschaftsausschlagung bei fälschlich angenommener Überschuldung: Auch wenn ein Erbe nicht alle zumutbaren und möglichen Erkenntnisquellen über die Zusammensetzung eines Nachlasses genutzt hat und sein Erbe wegen – fälschlich – angenommener Überschuldung ausschlägt, kann er diese Ausschlagung später anfechten.

Ein Erbe ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich vor einer Ausschlagung über die Zusammensetzung des Nachlasses zu informieren. Trifft er allerdings seine Entscheidung allein auf der Basis von Spekulationen, kann er bei einer Fehlvorstellung die Ausschlagung mangels Irrtums über Tatsachen nicht anfechten.

In diesem vom Oberlandesgericht Frankfurt a.M. entschiedenen Fall hatte sich die Tochter über die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses und damit über verkehrswesentliche Eigenschaften geirrt, insbesondere über das Vorhandensein der Konto-Guthaben. Dieser Irrtum war kausal für ihre Ausschlagung gewesen und die Tochter konnte die Ausschlagung wirksam anfechten.

•    Kein Irrtum bei einer Erbausschlagung: Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, dagegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben.

Dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Erblasserin verstarb ohne Testament. Sie hatte über mehrere Jahre in einem Seniorenheim gelebt, wobei die Heim- und Pflegekosten von einer Kriegsopferfürsorgestelle übernommen wurden. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert.

Die gesetzlichen Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin. Nach ihrem Tod schlug unter anderem eine zur Erbin berufene Enkelin das Erbe aus, da sie annahm, dass der Nachlass überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserin nahmen das Erbe hingegen an. Nach dem Verkauf des Hauses der Erblasserin an Dritte focht die Enkelin ihre Erbausschlagung wegen Irrtums an. Sie begründete dies damit, dass sie sich geirrt habe, weil der Verkaufserlös des Hauses die Verbindlichkeiten aus dem grundschuldgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten überstieg. Dieser Irrtum berechtigte jedoch nicht zur Anfechtung der Ausschlagung. Er beruhte lediglich auf einer unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht aber auf einem Irrtum über dessen Zusammensetzung.
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Automatisiertes Scoring-Verfahren – Recht auf Info zur Entscheidungsfindung

Wirtschaftsrecht

In einem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelten Fall verweigerte ein Mobilfunkanbieter einer Kundin den Abschluss eines Vertrags, da ihre Bonität als nicht ausreichend eingestuft wurde. Er stützte sich dafür auf eine Bonitätsbeurteilung der Kundin, die von einem auf die Erstellung von solchen Beurteilungen spezialisierten Unternehmen automatisiert durchgeführt worden war. Der Vertrag hätte die Kundin zu einer monatlichen Zahlung von 10 € verpflichtet.

Im Rahmen des daran anschließenden Rechtsstreits stellte das nationale Gericht rechtskräftig fest, dass das Unternehmen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen hatte. Es hatte der Kundin nämlich keine „aussagekräftigen Informationen über die involvierte Logik“ der betreffenden automatisierten Entscheidungsfindung übermittelt. Zumindest hatte das Unternehmen nicht hinreichend begründet, weshalb es nicht in der Lage sei, solche Informationen zu übermitteln.

Die EuGH-Richter entschieden, dass die betroffene Person grundsätzlich das Recht hat, zu erfahren, wie die sie betreffende Entscheidung zustande kam. Dabei müssen das Verfahren und die wesentlichen angewandten Grundsätze so beschrieben werden, dass die betroffene Person nachvollziehen kann, welche ihrer personenbezogenen Daten in die Entscheidungsfindung eingeflossen sind und in welcher Weise sie verwendet wurden.

Die bloße Übermittlung eines Algorithmus stellt jedoch keine ausreichend präzise und verständliche Erläuterung dar. Um die Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu erfüllen, könnte es u.a. ausreichen, die betroffene Person zu informieren, in welchem Maße eine Abweichung bei den berücksichtigten personenbezogenen Daten zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
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Vertragslaufzeiten bei Glasfaseranschlüssen – Beginn der Laufzeit

Wirtschaftsrecht

Eine Verbraucherzentrale monierte vor Gericht, dass ein Glasfaseranbieter – wie viele Mitbewerber – Verträge mit einer Mindestlaufzeit von 2 Jahren anbot. Dabei begann die Vertragslaufzeit jedoch nicht mit dem Abschluss des Vertrags, sondern erst mit der Freischaltung des Glasfaseranschlusses.

Diese Praxis, die sich in der Branche etabliert hatte, wurde von der Verbraucherzentrale vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) angefochten. Mit Erfolg: Das OLG erklärte diese Regelung für unzulässig.

Ein zentraler Kritikpunkt war, dass die Verzögerung des Vertragsbeginns die tatsächliche Bindungsdauer der Verbraucher unzulässig verlängerte. Der Zeitraum des Glasfaserausbaus wurde dabei faktisch auf die gesetzlich maximal zulässige Vertragslaufzeit von 2 Jahren aufgeschlagen. Das OLG betonte in seinem Urteil, dass die gesetzliche Regelung speziell dazu dient, Verbraucher vor einer übermäßig langen Bindung zu schützen und ihre Wahlfreiheit bei der Anbieterwahl zu erhalten.

Der Glasfaserausbau kann sich je nach Region und Projektumfang von wenigen Wochen bis zu mehr als einem Jahr hinziehen. Verträge werden oft bereits vor Baubeginn abgeschlossen, häufig im Rahmen von Haustürgeschäften. Bislang mussten Verbraucher akzeptieren, dass die Kündigungsfrist erst ab der tatsächlichen Freischaltung des Anschlusses begann – unabhängig davon, wie lange der Ausbau dauerte. Diese Praxis wurde durch das OLG nun als rechtswidrig eingestuft.

Das Urteil setzt ein klares Signal an die Anbieter, dass die gesetzliche Höchstlaufzeit von 2 Jahren auch im Zusammenhang mit dem Glasfaserausbau eingehalten werden muss. Es wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt, wodurch das Urteil nicht rechtskräftig geworden ist.
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Minderung der Vergütung und Kostenvorschussanspruch bei Mängeln

Wirtschaftsrecht

In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall forderte ein Bauherr nach der Fertigstellung eines Einfamilienhauses eine Minderung der Vergütung wegen Schallschutzmängeln von der beauftragten Baufirma. Das Gericht wies diesen Anspruch jedoch zurück. In der Berufungsinstanz änderte der Bauherr seine Forderung und verlangte stattdessen einen Kostenvorschuss zur Beseitigung der Mängel.

Nach den Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch kann ein Besteller (Auftraggeber) bei Mängeln
  • Nacherfüllung verlangen,
  • den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen,
  • von dem Vertrag zurücktreten oder die Vergütung mindern und
  • Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

Zu Kostenvorschussansprüchen für die Beseitigung eines Mangels stellte der BGH klar, dass diese nicht ausgeschlossen sind, wenn der Besteller wegen des Mangels zunächst die Minderung der Vergütung erklärt hat. Denn es existiert keine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen ist, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt hat. Nach dem Gesetzeswortlaut ist davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.

Demnach konnte der Anspruch auf Kostenvorschuss geltend gemacht werden, auch wenn zuvor eine Minderung erklärt wurde. Beide Ansprüche schließen sich nicht aus, sondern können parallel bestehen und ergänzen sich.

Die Befugnis des Bestellers auf Selbstvornahme und der Anspruch auf Kostenvorschuss sind jedoch ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zu Recht die Nacherfüllung verweigert. Der Unternehmer kann diese verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Die Kosten für die Beseitigung eines Mangels gelten als unverhältnismäßig, wenn der Nutzen der Mangelbeseitigung im Einzelfall nicht angemessen zur Höhe der dafür erforderlichen Ausgaben steht.
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Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung – Enteisung eines Flugzeugs

Wirtschaftsrecht

Der Bundesgerichtshof hatte am 27.8.2024 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Eine Frau wollte Ende 2021 von Minneapolis über Amsterdam nach Düsseldorf fliegen. Der Abflug in Minneapolis verzögerte sich, da das Flugzeug enteist werden musste. Aufgrund der Verspätung verpasste die Frau ihren Anschlussflug in Amsterdam und erreichte Düsseldorf etwa 4 Stunden später als geplant. Daraufhin forderte sie von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung.

Die Richter des BGH entschieden zugunsten der Reisenden. Sie stellten fest, dass die Notwendigkeit der Enteisung eines Flugzeugs vor dem Start, insbesondere an Flughäfen und in Zeiträumen, in denen winterliche Temperaturen zu erwarten sind, keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung darstellt. Die Fluggesellschaft konnte sich daher nicht von ihrer Verpflichtung zur Ausgleichszahlung befreien.
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